Mitten in der Bourgogne, 30 Autominuten südlich von Dijon, liegt das kleine Dorf Villars-Fontaine. In einem ehemaligen Steinbuch außerhalb der Stadt wurde früher ein sehr fester Kalkstein abgebaut, der dem Marmor ähnelt. Aus diesem Stein soll auch die Pariser Oper gebaut worden sein. 12 Jahre nachdem der Steinbruch still gelegt worden ist, wurde nach einer neuen Verwendung gesucht und es hat sich ein Verein gebildet, der sich „La Karrière Association Vill´Art“ nennt. Ab sofort sollte Street Art direkt auf die Felsen gemalt werden, und es wurden Artists aus aller Welt dazu eingeladen. Bevor es allerdings losgehen konnte, mussten mehrere hundert Tonnen Gestein entfernt werden, ein riesiger Krater war zu füllen, um eine ebene Grundfläche herzustellen, und die Wände mussten gereinigt werden, um die Ursprungsfarbe des Steins wieder zum Vorschein zu bringen.
2016 war es dann soweit. Die Festivals nennen sich seit dem „Street Art on the Roc“. V.a. in der wärmeren Jahreszeit finden hier ebenfalls Veranstaltungen wie z.B. Theater- und Tanzaufführungen statt und es werden Konzerte gegeben. Der Verein betreibt ein kleines Café, was den Aufenthalt in La Karrière angenehmer macht.
Flankiert werden die Murals durch weitere Kunst. So entstehen z.B. Skulpturen oder Gemälde auf extra bereitgestellten Aufstellwänden, die mit ausgestellt werden.
Im ersten Jahr waren es Osru, Stoul, Zest, Gael Dod, Bust the Drip, Khobz und Vinie. Lediglich von den letzteren beiden, sind die Arbeiten noch zu sehen. Die anderen Murals wurden übermalt.
Vinie
Vinie war 2016 die erste bei „Street Art on the Roc #1“. Sie malte und sprühte ihre typische puppenartige Figur aufs Gestein und ersetzt dabei die Haare durch Weinblätter. Dies ist, wie bei vielen anderen Murals auch, eine Anspielung auf die Region und den Wein, der hier angebaut wird. Interessant ist bei dieser Arbeit von Vinie, dass das Gesicht in transparenten Tönen gemalt ist, der Stein so gut zu erkennen ist und das Portrait eher modeliert als gemalt wirkt.
The Roc #2, 2017
Die Artist aus diesem Jahr: Hopare, Pablito Zago und Astro
Hopare
Hopare, aka Alexandre Monteiro, hat 2017 Zest übermalt. Auch er befaßt sich mit dem Thema Bourgogne und Wein. Die junge Frau hält die roten Trauben wie einen wertvollen Pokal vor sich. Hopare spielt damit auch auf einen Song des Sängers Georgio „L´or de sa vapeur rouge“ an.
ASTRO
ASTRO soll im selben Jahr nur drei Tage für sein Gemälde gebraucht haben. Es ist wieder typisch, nicht gegenständlich und im Trompe l’oeil-Stil gemalt, der Dreidimensionalität vortäuscht und hier wie eine Höhle wirkt.
Pablito Zago
Pablito Zago ist ein französischer Künstler, der vor allem durch seine farbenfrohen, naiven und grafischen Arbeiten an Kinderbuchmalerei erinnert. „Bird in Chaos“ spielt auf den Klimawandel an. Dieses Mural wurde im September 2024, aber nach unserem Besuch, von Alex Kanos übermalt.
Street Art on the Roc #3, 2018
Im Jahr 2018, beim dritten Festival, waren Alecrim und Saïd Dokins am Start.
Alecrim
Nuno Alecrim stammt aus Portugal. Er hat sich auf geometrische Muster spezialisiert. Hier, in La Karrière, bedient er sich der burgundischen Klimazonen. Jedes Teil seiner Musters steht für ein Element dessen. Da ist der Boden, die Landschaft, das Klima und auch die Tradition sind symbolische dargestellt.
Saïd Dokins
Auch Saïd arbeitet abstrakt. Der aus Mexiko stammende Künstler bedient sich allerdings kalligraphischer Elemente, die mit konzentrischen Kreisen verbunden sind. Dieses Mural trägt den Titel „Stories of a Word“.
On the Roc #4
Im August 2019 fand Street Art on the Roc zum vierten Mal statt. Zu Gast waren DEFUMO, Romain Froquet und Sea 162
DEFUMO haben 2019 zwei Murals gemalt. DEFUMO besteht aus drei legendären Graffiti Writern. Einmal DELTA, aka Boris Tellegen, der aus Amsterdam stammt und dort ein Urgestein des Writings ist. Der zweite im Bunde ist Futura. Futura stammt aus New York und hat in der Szene weltweite Anerkennung erlangt. Der dritte ist MODE2. Mode2 stammt aus Berlin und ist ebenso sehr bekannt. Er kam 2021 noch einmal für ein Soloprojekt nach Vilars-Fontaine zurück.
Zuletzt haben DEFUMO 2005 in Berlin zusammengearbeitet. 2019 soll es bei La Karrière eine besoderes Ereignis gewesen sein, die drei Weltstars beisammen zu haben. Interessant ist auch, dass sie zwei Murals schufen: DEFUMO ROUGE und DEFUMO YELLOW, was sich natürlich auf die Farbgebung bezieht.
Boris Tellegen, also DELTA, ist übrigens in Köln auch recht bekannt. Er hat bei verschiedenen Cityleaks-Festival mitgemacht und ein paar Wände in der Stadt hinterlassen, die heute noch gut zu sehen sind. Von ihm stammen die typischen Schriftzüge. Die Figuren in Bewegung stammen von Mode2.
Romain Froquet
Romain Froquet hat zwei Murals gemalt, die unmittelbar nebeneinanderliegen. „Les arbres“ titeln sie. Für ihn muss es ebenfalls eine Herausforderung gewesen sein, auf derart unebenem Untergrund zu malen.
Sea162
SEA162, aka Alonso Murillo Gil, ist der Meister der Malerei auf natürlichem Untergrund. Er hat sich auf Naturmalerei spezialisiert und an dieser Wand einen rauen und herausfordernden Untergrund gefunden. „Les Loups“ spielt auf den Wolf an, der in den Burgunder Bergen ansässig ist.
Street Art on the Roc #5, 2021
Mode2 und Eron waren die Artists in diesem Jahr.
Eron
Mit sehr reduzierte Farbpalette schafft Eron es, auf einer glatten Fläche eine enorme Plastizität erscheinen zu lassen. Das Thema lautet „Toxicocene“ und spielt auf den Einsatz von Gift in der Landwirtschaft und das Insektensterben an. Auch hier findet sich wieder der direkte Bezug zur Region und der Weinanbau in der Bourgogne. Einmal ein Gesamtbild und danach ein Detail.
Mode2
Auch Mode2, ein Mitglied von DEFUMO, nimmt sich des Themas Wein im Burgund an. Hier ist es Bacchus, der römische Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase.
On the Roc #6, 2022
DIFUZ
Der Mitte der 80er Jahre geborene Artist Difuz, aka Diego Konicheckis, hat belgische und uruguayische Wurzeln. Er wuchs in Paris auf und lebt heute in Marseille.
Stom500 & Missy
Die beiden Artists aus Straßburg haben nicht nur ihren Wohnort gemein. Sie sind auch beide detailverliebt. Missy, von ihr stammen die blauen Elemente, hat ein ausgeprägtes Faible für Vögel und Stom500, ist mit seiner gewohnten humoristischen Art dabei. Sehr passend finde ich die Bienen, die sich rechts unten auf den Weg zum benachbarten Mural machen.
2023, On the Roc #7
Hydrane
Wo Hydrane Lo malt ist Stoul meist nicht weit. Aber hier, in La Karrière hat Hydrane, die Architektur studierte, 2023 alleine gemalt. Ihren peruanischen Wurzeln und ihrer Verbundenheit zur südamerikanischen Kultur ist ihre Formensprache zu verdanken, die ihre Malerei einmalig macht. Gut, dass sie ihrer ursprünglichen Leidenschaft zu malen weiter nachgeht.
Serge Moret
Wie bereits erwähnt, wurden und werden die Murals im Steinbruch durch bildhauerische Kunstwerke bereichert. Im Jahr 2017 hat Serge Moret, ein Steinbildhauer aus Fontaine-Française, den Steinbruch besucht und die Idee entwickelt, eine Rosette direkt in die Wand zu modellieren. Im Jahr 2018, während des Festivals, hat er begonnen und 2022 sein Meisterwerk nach mehr als 1500 Stunden Arbeit vollendet.
Zu allerletzt:
Wir haben uns sehr gefreut, ein kleines Stencil von KTY, aka Catherine Poulain, in Villars-Fontaine zu finden. Catherine haben wir 2020 in Paris kennengelernt.
Titel: Detail Difuz