Boulogne-sur-Mer

Ein Tag in Boulogne-sur-Mer, ganz im Norden Frankreichs.

Boulogne-sur-Mer hat den größten Fischereihafen Frankreichs. Das ist natürlich am Hafen zu bemerken, wo eine Fischhalle neben der anderen steht, und an den Unmengen an riesigen LKW, die ihr Ware abtransportieren. Es macht sich auch in den vielen, der mehr als 40 Murals, die es in der Stadt gibt, bemerkbar. Seit 2016 finden sich jährlich namhafte Artists in Boulogne ein, und die Stadt hat sich so in ein Freilichtmuseum verwandelt. Um eine Vielzahl der Murals zu sehen, empfiehlt sich die Tour per Rad.

Eines der ersten Murals stammt von Johannes Mundinger.

Der Fischfang, der Klimawandel und der Umgang mit der Natur wird in diversen Murals thematisiert

James Bullough, Onur & Li-Hill

Es gibt zwei paarige Murals von James Bullough aus den USA, dem Schweizer Onur und dem kanadischen Künstler Li-Hill aus dem Jahr 2021. Dieses thematisiert das menschliche Handeln, das Auswirkungen auf die Natur hat. Auf dem rechten Haus ist das Meer, mit einer Fülle an Leben und Nahrung, und auf der linken Seite die Darstellung dessen, was daraus entstehen kann, abgebildet.

Bei ihrer zweiten Arbeit, wieder zwei Bilder, die zusammen gehören, geht es um die Vergänglichkeit und die Erinnerung. Onur sagt auf Instagram dazu:

„Durch das Erinnern ehren wir das Vergangene. Wie wir uns entscheiden, uns an etwas oder jemanden zu erinnern, bestimmt seine dauerhafte Existenz. Wenn der Betrachter die Straße entlang und zwischen diesen beiden Gemälden hindurchgeht, wird er daran erinnert, dass hier, in diesem Raum zwischen Leben und Tod, Erinnerung und Erfahrung geformt werden.

Das Konzept für diese Wände entstand in vielen Gesprächen. Von kleinen Gesprächen bis hin zu einer 10-stündigen Autofahrt nach Frankreich, die erste Saat begann mit Erinnerungen an diejenigen, die von uns gegangen sind. Der Blumenstrauß wird zum Opfer, zum Fest und für uns zum passenden Gefäß, um den Gedanken der Erinnerung zu transportieren. Es ermöglichte uns auch, die Nachbarschaft einzubeziehen und mit ihr in Kontakt zu treten, indem wir Menschen um Blumenspenden baten. Nachdem ein Blumenstrauß gebunden, aufgehängt und fotografiert wurde, blieben die Blumen an der Wand und verwelkten langsam, während wir das erste Wandbild malten. Tag für Tag betrachteten wir die Blumen erneut und dokumentierten ihren raschen Verfall. Als das erste Wandbild fertig war, stellten wir die Bilder zusammen, eine Abbild unserer dort verbrachten Zeit und eine Passage zwischen Leben und Tod.

Jeder hat seine eigenen Erinnerungen an dieses Thema, bei mir ist es mein verstorbener Vater. Ich erinnere mich an ihn als den jungen Mann und Vater, der er war, als ich ein Kind war. Dieser ist für dich, Baba!“

Telmo & Miel

Telmo Pieper und Miel Krutzmann stammen beide aus den Niederlanden und arbeiten seit 2012 zusammen. Sie nennen sich Telmo & Miel oder Telmo Miel. Bei den beiden 2020 entstandenen Murals soll das eine von Telmo und das andere von Miel gemalt worden sein. Beide sind aber mit dem gemeinsamen Namen signiert. Das obere titelt „Der Fischer“ und das untere „Die Turmfalkenhalterin“. Über ihren Augen befand sich ursprünglich ein pink-farbener Balken, der ihre Augen verdecken sollte, um den Blick der Betrachtenden nicht direkt auf ihre Augen zu lenken. So wird sie zu einer austauschbaren Figur. Beide Murals appellieren daran, die Natur zu achten.

Die Geschichte

Die Geschichte von Boulogne ist verknüpft mit dem Fischfang, der Seefahrt, heimischen Tieren und auch mit historischen Personen.

Das erste Mural stammt von Shadow, aus dem Jahr 2016. Es stellt die Frau eines Matrosen mit ihrem prachtvollen Trachtenkopfschmuck dar. Daneben ist die „Libertad“ zu sehen, ein Dreimaster, der ein Wahrzeichen der Stadt ist. Die Geschichte ist verwoben mit dem argentinischen General José de San Martín, der seine letzten Lebensjahre in Boulogne verbrachte.

Bruno Ghys zeigt ein typisches Boulogne-Pferd, ein Zugpferd, dass zu einer der ältesten Rassen dieser Art gehört. Das Mural stammt von 2021.

Emmanuel Jarus malte 2016 den „Fisherman“. Jarus ist international unterwegs und hat 2018 mit Bosoletti zusammen, dieses Wahnsinnsmural in Berlin fertig gestellt.

Auch der dominikanische Künstler Evoca1 setzt sich mit der Geschichte des Ortes auseinander. 2018 entstand innerhalb von zweieinhalb Tagen dieses wunderbare Mural:

Case Maclaim

Kein Beitrag ohne Case, wie mir scheint. In Boulogne-sur-Mer gibt es direkt zwei Murals von Case Maclaim. Eines entstand 2021, im Stil der Alten Meister. Es zeigt Auguste Mariette, den französischen Ägyptologen, geboren 1821 in Boulogne.

Das andere, 2017 entstanden, trägt den Titel „Pêucher sur Mer“.

Leon Keer

Auch Leon Keer verschreibt sich der Thematik der Umweltverschmutzung, in diesem Falle v.a. der Meere und gibt einen Hinweis auf Mikroplastik in unserer Nahrung. Leon soll 2019 mit Unterstützung fünf Tage für dieses Mural gebraucht haben.

Alaniz

Alaniz bekam 2017 in Boulogne die Möglichkeit ein Gemälde des französischen Malers Francis Tattegrain, geb. 1882, zu reproduzieren. Das Bild trägt den Titel „La Ramasseuse d’épaves“ und zeigt eine Frau die vom Meer angespülte Überreste von einem gekenterten Schiff einsammelt und sie, aus heutiger Sicht wäre es als Recycling zu betrachten, mit nach Hause nimmt. Ich habe von Alaniz u.a. in Barcelona 2019 im Poblenou ein Mural fotografiert.

Fintan Magee

Und auch bei dem Mural des Australiers Fintan Magee, auf dem Boulevard Sainte-Beuve, ganz nahe am Strand gelegen, geht es um die Umwelt und die Klimaerwärmung. Das Mural trägt den Titel „Die Hitzewelle“ (Warten auf den Klimawandel). Das Mural stammt aus dem Jahr 2018.

Dourone und David Walker

2016 entstanden diese beiden wunderbaren Frauenportraits von David Walker und Fabio Dourone „Reflexion“.

Kobra

2017 schuf Edouardo Kobra, der bekannte brasilianische Artist, eine ganz besondere Arbeit. „La femme à L´ombrelle de Claude Monet 1875“. Als Edouardo das Haus des französischen Malers Monet besuchte, kam ihm die Idee eines Doppelportraits. In Boulogne-sur-Mer fand er die Möglichkeit. Auf der rechten Seite portraitiert Kobra Monet in der für ihn typischen Art und Weise, und auf der linken Seite, seine Interpretation eines Gemäldes von Monet. Es zeigt dessen erste Frau Camille mit dem gemeinsamen Sohn Jean, und Kobra malt es im Stil des Malers.

Im selben Jahr entstanden die Arbeiten von 4Letters und einem Künstler aus Boulogne, Gaawouel.

Hendrik Beikirch & Lonac

Ein Jahr später, also 2018 waren, The one and only, Hendrik Beikirch und der kroatische Künstler Lonac mit zwei großartigen Murals, vor Ort.

Der dunklere Teil, in lila/blau Tönen des Diptychon von Lonac trägt den Titel „Midnight“. Im gegenüberliegenden Mural lehnt die Frau nachdenklich auf einer Stuhllehne.

Das Portrait einer unbekannten Person, vermutlich handelt es sich um einen Fischer, scheint auf den Ort hinunter zu schauen. Der Blick spricht Bände und der Standort des Murals, ganz oben auf einem Berg an der Küste von Boulogne, ist atemberaubend.

Andrea Ravo Mattoni, Mantra & Love, Peeta Ead, Janisdeman und Smug

2019 ging es hochkarätig weiter: Janisdeman aka Jan Heinsbroek, bat die Nachbarschaft um beliebte Bücher und zauberte ein Bücherregal an die Wand. Smug portraitiert den Künstler Add Fuel aka Diogo Machado. Der schweizerisch-italienische Artist Andrea Ravo Mattoni bringt in üblicher Manier ein Detail von François-André Vincent „Belisarius“ aus dem Jahr 1776 auf die Hauswand einer Seitenstraße. Mantra aka Youri Cansell, schafft gemeinsam mit Love_kaos eine riesig lange Wand und die für ihn typischen Schmetterlinge dürfen nicht fehlen. Peeta Ead aka Manuel Di Rita fasziniert wieder mit der Dreidimensionalität.

Das vierte Festival, 2020, in Boulogne

Dieses Mal waren u.a. die lokale Künstlerin Marika aka Marina Riley, MonkeyBird, Vesod und Borondo aktiv. Das Mural von Vesod verwirrt mit seinen Perspektiven, scheint aber auch einen lokalen Bezug zu haben. In Grenoble sah ich erstmalig eine Arbeit von Vesod.

Die Arbeit des spanischen Artists Gonzalo Borondo, den ich erstmalig in Vitry-sur-Seine sah beeindruckt und benötigt zur vollständigen Aufnahme einen Standpunkt mit Abstand.

Slim Safont, Wedo, Scaf_oner und ABYS

„To be daughter/son“ titelt das hohe Mural von Slim Safont, das der Spanier im Sommer 2021 in Boulogne-sur-Mer malte, unweit der Murals von Hendrik Beikirch und Leon Keer.

Weniger bedrückend, eher amüsant, fand ich folgende Murals aus dem selben Jahr. Der Spanier Wedo, ABYS und Scaf_oner mit „The King“.

Titel: Lonac (Detail) 50°43’21.6521″ N 1°36’28.8631″ E

Karten sind hier und hier zu finden.